Eva Kernbauer
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2004 bis 30. Juni 2005

Der Platz des Publikums: Kunst und Öffentlichkeit in London und Paris im 18. Jahrhundert



PROJEKTBESCHREIBUNG

Im 18. Jahrhundert konkretisierten sich viele der Anforderungen an die bildende Kunst, die für die Moderne verbindlich werden sollten. Eine zentrale davon ist ihr Anspruch auf Öffentlichkeit: Diese wird zur entscheidenden Instanz, zum Adressaten der Kunst. Doch wer denn dieses "Publikum" sei und wo es zu verorten sei, war ein heftig diskutiertes Thema der zeitgenössischen Kunstliteratur. Tatsächlich war Kunst bereits vor der Einrichtung professioneller Kunstausstellungen an verschiedenen Orten präsent, die weiten Teilen der Bevölkerung offenstanden: Jahrmärkten, Vergnügungsgärten, Kunsthandlungen, Auktionshäusern, Künstlerateliers, Festtagsdekorationen, Kirchen. Der Umgang mit Kunstwerken begann als soziale Praxis, deren Nachwirkungen – etwa populärkulturelle Kontexte oder feudal-repräsentatives Denken – noch lange andauerten. Als nun die ersten "Kunstausstellungen" initiiert wurden, mußten diese Kontexte erst umformuliert, die "multitude" zu "public" werden. Zunächst wurde das Projekt durchaus positiv beurteilt: 1719 schrieb der Abbé Dubos in Paris, daß die Sprache der Kunst potentiell jedermann zugänglich sei, da die Wirkung der Bilder unter das Gefühl ("sentiment") falle. Doch werden die Bildkünste von verschiedenen Adressatenkreisen unterschiedlich gelesen, und, wie in der zeitgenössischen Kunstliteratur abwechselnd beklagt und begrüßt wurde, auch die "illiterati" waren von der Rezeption, ja selbst der Kritik an bildender Kunst nicht ausgeschlossen: "Une petite paysanne nous critique et nous juge … Mais c’est se moquer!" heißt es in einem Pamphlet von 1771. Wenn im 18. Jahrhundert trotzdem immer wieder von "the enlightened public" oder "le public éclairé" die Rede ist, dann ist es oft schwierig, die Grenzen zwischen höflicher Leerformel, Euphemismus und Ironie zu erkennen. Das "Publikum" erweist sich als Diskursfigur, der immer wieder wechselnde Plätze zugewiesen wurden, bis ein "angemessenes" Verhalten vor Kunst vorausgesetzt werden konnte. Das Ringen um eine klare Umgrenzung der Rolle des Publikums ist Teil eines Prozesses der Behauptung einer modernen Identität, der sich dialektisch zwischen Öffnung und Abgrenzung vollzieht.



CV

Mag. phil., Studium der Kunstgeschichte und Architektur an der TU Wien, an der Universität Wien, an der Freien Universität Berlin sowie an der Humboldt-Universität zu Berlin



Publikationen

Transkription, Übersetzung, Kommentar der "Kettwig-Tagebücher" von Eva Hesse (1964–65), in: Kat. Eva Hesse: Transformationen. Die Zeit in Deutschland, Kunsthalle Wien, Wien 2004; "Culture Internationale (Al Capone)", "Projektion", "Section Documentaire", "Sex-Film" und "Atlas", in: Kat. Marcel Broodthaers: politique poetique, Kunsthalle Wien, Wien 2003