Das Haus eines Privatsammlers galt international als ganz besondere Adresse für alle, die antisemitische Originale für Ausstellungen suchten. Es barg zehntausende Objekte aller Facetten der Judenfeindschaft und des Nationalsozialismus. Der 2017 verstorbene Wolfgang Haney hatte sie über Jahrzehnte zusammengetragen. Ist der Tod des Sammlers auch der Tod der Sammlung?
„Man muss nämlich wissen: Dem Sammler ist in jedem seiner Gegenstände die Welt präsent, und zwar geordnet. Geordnet nach einem überraschenden, ja dem Profanen unverständlichen Zusammenhange“, schrieb Walter Benjamin. Für Wolfgang Haney war es die Welt der Judenfeindschaft und des Holocaust, die seine Sammlungsdinge in sich bargen. Aus der dem öffentlichen Blick verschlossenen Sphäre der Zirkulation brachte sie der Sammler in seine Hände und sein Haus. Dorthin gelangten auch Dinge fragwürdigster Provenienz, zugleich gewährte Wolfgang Haney internationalen Kuratoren freie Hand bei der Exposition seiner Schätze. Um der antifaschistischen Aufklärung zu dienen, wurden die Dinge ein drittes Mal aus ihren Kontexten gelöst. Für den Umgang mit der Sammlung nach seinem Tod traf Wolfgang Haney keine Entscheidung. Händler, Wissenschaft, Museum und Archive treten nun an die Erben heran. Der Vortrag reflektiert Entstehung, Gebrauch und das mögliche Ende einer der größten bekannten Antisemitika-Sammlungen im Prozess der Transformation.
Maren Jung-Diestelmeier ist Freie Mitarbeiterin des Museums Pankow und des Zentrums für Antisemitismusforschung, TU Berlin. Sie studierte neuere/neueste Geschichte an der TU Berlin und Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Museumspädagogik an der HU Berlin. Dissertation im Fach Geschichte an der TU Berlin. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kuratorenteam der Ausstellung "Angezettelt. Antisemitismus im Kleinformat", Museum für Kommunikation Frankfurt a. M. (2013-2014); wissenschaftliche Mitarbeit an den Folgeausstellungen "Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute" und den Ausstellungskatalogen, Deutsches Historisches Museum (2016) und NS-Dokumentationszentrum München (2017); Kuratorin der Ausstellung "Ich hab gezeichnet, da ist aller Kummer verflogen. Beatrice Zweig 1892-1971", Museum Pankow Berlin (2017).
Publikationen (Auswahl): "Ich hab gezeichnet, da ist aller Kummer verflogen." Beatrice Zweig 1982-1971, Begleitband zur Ausstellung, Berlin 2017; "Das verkehrte England". Visuelle Stereotype auf Postkarten und deutsche Selbstbilder 1899-1918 (Studien zu Ressentiments in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1), Göttingen 2017; "'Deutsche Männer, deutsche Frauen, helft den Englishman verhauen.' Eine Bildpostkarte als kollektive Selbstbemächtigung", in: M. Kohlstruck, S. Schüler-Springorum, U. Wyrwa (Hg.), Bilder kollektiver Gewalt - Kollektive Gewalt im Bild: Annäherungen an eine Ikonographie der Gewalt. Für Werner Bergmann zum 65. Geburtstag, Berlin 2015, S. 196-204; "'Schönen Gruß aus Kiao-Tschau...' Deutsche Chinabilder und Konstruktionen des nationalen Selbst. Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 18 (2009), S. 113-138.
Die Ausstellung Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute, hervorgegangen aus dem oben erwähnten Forschungs- und Editionsprojekt zu Teilgebieten der Sammlung Wolfgang Haney, ist vom 23. Februar 2018 bis Mitte April in Wien, modifiziert als Wandzeitung des Studios Steinbrener/Dempf & Huber, zu sehen. Sie entstand in Kooperation des Zentrums für Antisemitismusforschung TU Berlin, der Wandzeitung Steinbrener/Dempf & Huber und des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.
Drei Vorträge am IFK ergänzen die Präsentation als Begleitprogramm:
ANGEZETTELT (2)
ANGEZETTELT (3)
Ort: IFK
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