27 Oktober 2014
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IFK

DIE ANGST VOR DEM ANTHROPOZÄN

Überall auf der Erde hinterlässt der Mensch seinen Fußabdruck, beeinflusst die Beschaffenheit von Wetter und Meeren – einer geologischen Kraft vergleichbar. Bernhard Malkmus untersucht anhand zeitgenössischer literarischer Werke, wie radikal dieses diffuse Epochenbewusstsein unsere Selbstwahrnehmung verändert.


Als der Nobelpreisträger Paul Crutzen auf einer Tagung Ende der 1990er-Jahre wiederholt den Begriff Holozän für unser Erdzeitalter hörte, platzte ihm der Kragen: „Hört mir auf damit, wir sind doch schon längst im Anthropozän.“ Anfangs belächelt, ist dieser Begriff mittlerweile zu einem wichtigen Bezugspunkt geworden. Bis in die kleinsten Nischen des Globus hinein hinterlässt der Mensch seine Spuren, die globalen Makrosysteme des Wetters und der Meeresströme schickt er sich an zu verändern – einer geologischen Kraft vergleichbar. Der Literaturwissenschafter Malkmus analysiert zeitgenössische literarische Werke und entdeckt dort einen Menschen, der zum Kulturfolger der von ihm geschaffenen Strukturen wird. Da er unablässig auf die nicht regulierbare Ordnung der von ihm unkalkulierbar umgestalteten ökologischen Systeme reagieren muss, kann er nicht mehr auf die selbstregulativen Ordnungen von Sinnträgern wie Natur oder Leben vertrauen. Alle regenerativen Ressourcen für das Leben muss er sich nun selbst erst schaffen, ohne die Risiken, die dieser Schaffenszwang birgt, abschätzen zu können. In der technologischen Emanzipation von ökologischen Zusammenhängen im Anthropozän sind wir paradoxerweise mit der Angst davor konfrontiert, radikal ökologisch sein zu müssen: Das Leben zukünftiger Generationen, systemische Regeneration und Biodiversität sind nun plötzlich Dinge, die der Mensch bis zu einem gewissen Grad selbst gewährleisten muss.

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