22 März 2012
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23 März 2012
  • Conference
IFK

Das Leiden an der Kultur

Die Kultur- und Literaturgeschichte des Abendlands ist geprägt von Versuchen, das Leiden des Einzelnen kulturell produktiv zu machen. Die Integration von Leiderfahrungen – körperlichen wie seelischen – in den Raum der Kultur gelingt durch ihre ethisch-religiöse Einbindung, ihre politisch-ideologische Funktionalisierung und vor allem durch ihre ästhetische Vermittlung. Eingeübte Opferrhetoriken stellen dabei wirkungsmächtige Semantiken zur Verfügung, damit Verzicht, Schmerz, Qual und Tod mit Sinn versehen werden können.

 


Die Gegenrechnung dieser meist moralischen Siege über das Leiden hat nicht erst das 20. Jahrhundert aufgemacht. Doch erst Freuds Überlegungen zum „Unbehagen in der Kultur“ treiben mit wechselseitigen Verweisen von sozialer Verträglichkeit und Glücksverzicht des Subjekts das grundlegende Problem der Kultur hervor. Die Sublimierung der Triebenergien und ihre anderweitige Verwendung für soziale, wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke begründet das Unglück des Einzelnen und verantwortet sein Leiden an einer Kultur, ohne die er nicht sein kann: Das Leiden an der Kultur ist Conditio sine qua non von Kultur. Diesen Befund möchte die Tagung zu einer pointierten Rückfrage an historische Modelle eines von der Kultur eingeleiteten Leidens nutzen. Dabei soll insbesondere nach den Begründungslücken gefragt werden. Auf welche Weise etwa werden politisch installierte Opferlogiken problematisiert und hintertrieben? Wie drängen sich vermeintlich pathologische Fehlformen einer Lust am Leiden, des Masochismus und Sadismus, in den Vordergrund?



KONZEPTION: Frauke Berndt (Deutsches Seminar, Universität Tübingen),
Cornelia Zumbusch (Fachbereich Literaturwissenschaft, Universität Konstanz)



Ort: IFK