18 November 2013
  • Lecture
IFK

Die Logik der Aufklärung und revolutionäre Realitäten

Wie brechen Revolutionen aus? Diese Frage beschäftigt Sozialwissenschaften und Politik seit über 200 Jahren, um Revolutionen vorherzusagen, zu verhindern oder auszulösen. Dennoch hat jede Revolution ihr Überraschungsmoment, so Erdal Kaynar in seinem Vortrag über die politischen Implikationen gewaltsamer, gesellschaftlicher Umstürze.

 

Was die Logik der Aufklärung genannt wird, zeigt sich als ein gängiges Erklärungsmuster für politischen Umbruch seit der Französischen Revolution, das dazu dient, genau diesen disruptiven Charakter revolutionärer Realitäten zu überwinden. Nach dieser Logik der Aufklärung erklärt sich politischer Wandel und der Emanzipationsprozess im Allgemeinen aus der Verbreitung von demokratischen Ideen durch eine aufgeklärte Elite. Echos dieser Sichtweise finden sich in der Bezeichnung der Ereignisse des Arabischen Frühlings als „Facebook Revolutionen“ oder in Protesten um den Gezi Park als „Twitter Revolten“, die gemeinhin einen naturgemäßen Automatismus suggeriert. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber die tief politischen Implikationen dieses Erklärungsmusters. Mit einem Fokus auf die vergessene Jungtürkische Revolution von 1908 im Osmanischen Reich soll aufgezeigt werden, wie die Logik der Aufklärung einen Versuch darstellt, die Revolution zu vereinnahmen und darüber einen politischen Geltungsanspruch in der postrevolutionären Gesellschaft zu stellen. Denn der Wunsch, eine Revolution zu deuten, bezieht sich nicht nur auf Forscher und ihr Bestreben, die Ereignisse entlang wissenschaftlicher Interessen zu glätten, sondern ist auch grundlegend für das Handeln von politischen Akteuren während und vor allem nach der Revolution. Wenn die Deutung der Revolution als ein politischer Akt verstanden wird, erscheint auch die autoritäre Wende von Revolutionen wie im Osmanischen Reich nach 1908 weniger als Widerspruch zur Logik der Aufklärung, sondern vielmehr als eine politische Antwort auf eine politische Situation, die sich aus dem Aufeinanderprallen von revolutionärem Ideal und revolutionärer Wirklichkeit ergibt.

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