19 März 2012
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IFK

Art und Ethos. Zur Hybridität des Höfischen Weltentwurfs

Einer der Versromane von Chrétien de Troyes, des Begründers des höfischen Romans in der altfranzösischen Literatur, galt Wolfram von Eschenbach als Vorlage für seinen „Parzival“, und dieser wiederum als Schablone für Wagners gleichnamige Oper. Jan-Dirk Müller konzentriert sich in seinem Vortrag auf das Fehlen der „Mitleidsfrage“ beim ursprünglichen Schöpfer der Figur Parzival und auf die Weltentwürfe zwischen Ritterlich-Höfischem, angeborenem Adel und christlicher Ethik.

 


Parzival verfehlt seine Bestimmung, wenn er auf der Gralsburg zu fragen versäumt, was es mit all den Wundern, die er dort sieht, auf sich hat und woran der Gralskönig leidet. Im Unterlassen der „Mitleidsfrage“ zeigt sich seine tumpheit – Fühllosigkeit, Unfähigkeit zur compassio –, die er ablegen muss, wenn er zuletzt doch noch als neuer Gralskönig die Gralsgesellschaft erlösen soll – so das Bild des Helden bei Wolfram bis hin zu Wagners „Parsifal“. Überraschenderweise fehlt die Mitleidsfrage bei Chrétien de Troyes, dem Erfinder der Figur; erst Wolfram von Eschenbach führt sie ein und gibt damit Parzivals Versagen eine innere Dimension. Chrétien wie Wolfram betonen die Adelsqualität des Helden (nature, art), die ihn zum besten Ritter bestimmt. Bei Wolfram gehört außerdem auch die Mitleidsfähigkeit zu seiner art, wird aber durch die höfische Erziehung (das Verbot unnützer Fragen) verschüttet. Was bedeutet diese „Entartung“? Wie verhält sich Ethos zu Art, der Parzival ja treu bleibt, denn er kehrt sich keineswegs von der Laufbahn eines höfischen Ritters ab (Joachim Bumke: „Parzival lernt nichts“); den Weg zum Gral findet er als Ritter. Damit bricht deutlicher als bei Chrétien die Spannung innerhalb des ritterlich-höfischen Weltentwurfs auf: zwischen angeborener Adelsqualität (Man „ist gut“, von überragender Schönheit, ein überlegener Krieger), höfischem Weltentwurf (Der Krieger muss erst noch sozialisiert werden) und christlicher Ethik („Gut-Sein“ setzt ethische Entscheidung voraus).

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