02 April 2014
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04 April 2014
  • Conference
IFK

WIE CHRISTLICH IST DAS MITTELALTER?

Das Ende des Mittelalters bedeutet Aufbruch in eine säkularisierte Moderne und Zerbrechen eines gottdurchwalteten Kosmos. Beiden Bildern ist gemein, dass die Religion als Hauptagent sowohl des Niedergangs wie auch der harmonischen Einheit gedacht wird. Phänomene werden untersucht, die sich der christlichen Leitkultur widersetzen oder Kompromisse mit ihr eingehen.

 

Die Neuzeit konstituiert sich durch Abstoßung von dem, was ihr vorausgeht. Für die Renaissance und später die Aufklärung ist das Mittelalter eine Zeit totaler Verfinsterung, in der Bildung und Wissenschaft daniederliegen und sich in der Knechtschaft der Theologie befinden. Für die Romantik ist es im Gegenteil das Zeitalter einer universalen Ordnung mit Papst und Kaiser an der Spitze, die der Zerrissenheit der modernen Welt entgegengesetzt wird. Das Ende des Mittelalters bedeutet einerseits Säkularisierung, andererseits das Zerbrechen einer gottgewollten Weltordnung. Nun sind beide Mittelalterbilder seit langem korrigiert und differenziert worden. Doch trotz wachsender Einsicht in die Vielfältigkeit mittelalterlicher Lebensverhältnisse und Wissensordnungen wurde deren gemeinsame Basis in der christlichen Religion nie bezweifelt. Das liegt daran, dass die Meinungsführerschaft überwiegend in den Händen schriftkundiger Kleriker liegt. Ihnen stehen die Speicher des kulturellen Gedächtnisses zu Gebote; sie entscheiden, was überlieferungswert ist und in welcher Weise; ihre Interpretationen von Welt sind maßgeblich, und sie bemühen sich, diese auch in der laikalen Kriegergesellschaft durchzusetzen. Deren andersartige anfangs überwiegend mündliche Kultur ist nur dort greifbar, wo sie in schriftlicher Tradition ihre Spuren hinterlassen hat, das heißt durch den Filter klerikaler Schriftlichkeit gegangen ist. Versuche, aus diesen Spuren vor- oder achristliche Weltbilder zu rekonstruieren, haben zu haltlosen Spekulationen geführt, wie Konstrukte unseligen Andenkens, etwa die Kultspiele der Germanen oder der germanische Heldengeist, belegen. Im Rahmen der Tagung sollen Phänomene untersucht werden, die sich der christlichen Leitkultur widersetzen oder Kompromisse eingehen.

 

 

KONZEPTION: Jan-Dirk Müller (Institut für Deutsche Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München)

 

TEILNEHMERINNEN: Gerd Althoff (Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität), Frank Bezner (University of California, Berkeley), Gordon Blennemann (Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, und Historische Hilfswissenschaften, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Bent Gebert (Fachbereich Literaturwissenschaft Fach 160, Universität Konstanz),
 Burkhard Hasebrink (Deutsches Seminar – Germanistische Mediävistik, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Andreas Kablitz (Petrarca-Institut, Universität zu Köln), Susanne Köbele (Deutsches Seminar, Universität Zürich), Fritz Peter Knapp (Germanistisches Seminar, Universität Heidelberg), Joachim Küpper (Dahlem Humanities Center, Freie Universität Berlin), Christel Meier-Staubach (Seminar für Lateinische Philologie
des Mittelalters und der Neuzeit, Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Ursula Peters (Institut für Deutsche Sprache und Literatur, Universität zu Köln), Gerhard Regn (Institut für Romanische Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München), Wilhelm Schmidt-Biggemann (Institut für Philosophie, Freie Universität Berlin), Arbogast Schmitt (Seminar für Klassische Philologie, Philipps-Universität Marburg), Wolfgang Stempel (Institut für Romanische Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München), Peter Strohschneider (Deutsche Forschungsgemeinschaft), Friedrich Vollhardt (Institut für Deutsche Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München).

 

 

Eine Tagung des IFK in Kooperation mit der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

 

Ort: IFK