23 Mai 2011
  • Lecture

Frauenlob und die Schwierigkeit, etwas zu wissen

Dass Gelehrtenwissen noch keine Geisteskrankheit ist, Metaphern nicht unverständlich sein müssen und dass es noch niemandem geschadet hat, ein kleines bisschen verrückt zu sein, zeigt Michaela Wiesinger in ihrem Vortrag über Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob.

 



1913 war kein gutes Jahr für Heinrich von Meißen. Frauenlob, der diesen Namen seiner Marien- und Frauenpreislyrik verdankt, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwar schon 600 Jahre tot, dennoch schaffte es Ludwig Pfannmüller mit einem Aufsatz, den Ruf des zu seinen Lebzeiten hoch angesehenen und später noch viel kopierten Dichters für einige Zeit zu unterminieren. Als geisteskrank hatte er ihn bezeichnet: Sein um 1300 entstandener „Marienleich“, der einen 20-strophigen Lobpreis der Gottesmutter Maria darstellt, sei verrückt und völlig unverständlich. Diese Einschätzung der Lyrik Frauenlobs ist nicht zuletzt auf die geblümte Sprache und den dunklen Stil zurückzuführen, der durchaus zu Überinterpretationen verleiten kann. Frauenlob war jedoch – und darin sind sich die ForscherInnen heute wieder einig – ein außergewöhnlicher Dichter und Gelehrter. Er war nicht nur auf den Gebieten der Musik, der Mathematik oder der Theologie bewandert; in seiner Dichtung finden sich zahlreiche naturphilosophische Bezüge, die, in komplexe Sprachbilder verpackt, die Texte in ihrer Vielschichtigkeit mitgestalten. Wie sehr und auf welche Weise nun Literatur und Wissen im „Marienleich“ Frauenlobs ineinander verzahnt sind, untersucht Michaela Wiesinger. Sie geht am Beispiel der Elementenlehre der Frage nach, welche Funktion naturphilosophisches Wissen in literarischen Texten haben kann.

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