07 Oktober 2013
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IFK

Anderswo in der Donaumonarchie. Juden jenseits vom „habsburgischen Mythos“

Die jüdische Bevölkerung der Donaumonarchie setzte oft die deutsche Sprache als Schriftsprache ein. Scott Spector geht den Motiven und auch den Folgen dieser Präferenz nach, um den jüdischen Beitrag zur deutsch-österreichischen Literatur zu analysieren. 

 

Warum wurde das Deutsche zur jüdischen Wissenssprache im östlichen Mitteleuropa?

Das Deutsche war oft die Schriftsprache, die jüdische Autoren aus den in der Mehrheit nicht-deutschsprachigen oder mehrsprachigen Gebieten des Habsburgerreichs gewählt haben. Es liegt nahe, dieses Phänomen damit zu erklären, dass die deutsche Sprache als Lingua franca galt und damit als Brücke zwischen Schriftstellern in Mitteleuropa, wenn nicht sogar als Entréebillet in die abendländische Gesellschaft angesehen wurde. Einer solchen Annahme steht allerdings ein unabweisbares Element der Verschiebung oder Verlagerung entgegen, welches einen großen Teil der jüdischen Schriften des späten Habsburgerreichs prägt. Diese Komponente kennzeichnet ebenso die Geschichtsschreibung und Literaturkritik zu diesen Dichtern wie die österreichische Literatur als ganze – paradigmatisch ist Claudio Magris’ klassischer Begriff des „habsburgischen Mythos“ als “sehnsüchtige Verklärung der Welt der Donaumonarchie“, die nicht mehr existierte und eigentlich nie existiert hat. In diesem Sinne bezieht sich „anderswo“ also nicht nur auf die Verwendung des Deutschen jenseits der Grenzen der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung, sondern auch auf den Aspekt der Dislokation, der ein Verständnis des Deutschen als Fundament einer gemeinsamen Kultur zu untergraben droht.

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