Lutz Musner 1954–2025

 
Wir trauern um Lutz Musner, der das ifk vor über 30 Jahren mit aus der Taufe gehoben hat und es als stellvertretender Direktor viele Jahre maßgeblich gestaltet und geprägt hat. Lutz hat nicht nur das wissenschaftliche Profil des ifk aufgebaut, sondern stand hunderten Promovierenden und Gastforschenden zur Seite. Er war Denker und Organisator, Gesprächs- und Kooperationspartner. Er hat an unzähligen großen und kleinen Projekten mitgewirkt, viele davon selbst ins Leben gerufen und ebenso viele unterstützt und begleitet. In seiner eigenen Forschung, etwa zur interdisziplinären Stadtforschung, zum Ersten Weltkrieg im Karst und – immer wieder – zu Methoden und Theorien der Kulturwissenschaft, verknüpften sich politisches Engagement, Neugierde und hohe Qualitätsansprüche an Recherche und Methodik auf unverwechselbare Art und Weise. Sein nie nachlassendes Plädoyer dafür, die wirtschaftliche und politische Geschichte und soziologische Perspektiven in die Kulturwissenschaft einzubinden, ist allen von uns im Ohr, die wir mit ihm in vielfältiger Weise zusammenarbeiten durften.
 
Aufgrund seiner Überzeugung, dass Kultur kein separates Feld sei, sondern immer mit Blick auf Gesellschafts- und Machtfragen untersucht werden müsse, war ihm der Ort seiner Habilitation besonders wichtig: die Humboldt-Universität zu Berlin. An jener Universität habilitiert zu sein, die auch dem für ihn so wichtigen Soziologen Max Weber mehr als ein Jahrhundert vor ihm die Venia legendi erteilt hatte (damals allerdings in den Rechtswissenschaften), erfüllte ihn mit großem Stolz. Seine Habilitationsschrift erschien als »Der Geschmack von Wien. Kultur und Habitus einer Stadt« (2009) und wurde mit dem Victor-Adler-Staatspreis für Geschichte sozialer Bewegungen des Jahres 2011 ausgezeichnet.
 
Mit Wien und seiner Geschichte hat sich Lutz Musner in vielen seiner Projekte und Publikationen auseinandergesetzt, oft zusammen mit seinem Freund und Kollegen Wolfgang Maderthaner. Lutz arbeitete interdisziplinär, noch bevor es modisch wurde, er war Historiker ebenso wie seine sozial- und kulturwissenschaftlichen Zugänge untrennbar miteinander verbunden waren und seinen historischen Quellenforschungen breite Perspektiven gaben. Etiketten waren ihm nicht wichtig. Vielleicht war er auch deshalb einer der Ersten, die konsequent daran arbeiteten, die nur scheinbar so unterschiedlichen Zugänge der Cultural Studies und der Kulturwissenschaften in einen produktiven Dialog miteinander zu bringen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen zeigen sich neben vielen maßgeblichen Publikationen in einem unglaublich dichten Netz an ebenso stabilen fachlichen Kooperationen und persönlichen Freundschaften.
 
Lutz Musner gehört zu jenen, die für die Kulturwissenschaften einen Unterschied gemacht haben, in Wien und Berlin – und weit darüber hinaus. Er hat Menschen und Ideen gefördert, zusammengebracht und weiterentwickelt. Er selbst scheute den großen Auftritt, er wollte nicht im Mittelpunkt stehen und ließ sich nur ungern danken. Sein Einsatz war ihm selbstverständlich. Für uns und viele andere war er außergewöhnlich. Wir werden ihn sehr vermissen und wir danken ihm nun noch einmal ganz laut und deutlich, und zwar von Herzen. Im Miteinander, welches das ifk vielleicht noch vor aller fachlichen Exzellenz auszeichnet, wird er bei uns bleiben.
 
Karin Harrasser und Christina Lutter für das ifk und alle, die ihm verbunden sind