Kai Marcel Sicks
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004

"Dichter, trainiert Euch im Schwimmen!" Zur Begegnung von Sport und Literatur zwischen den Weltkriegen



PROJEKTBESCHREIBUNG

Durch die Einbindung in den kapitalistischen Markt und in eine zunehmende Anzahl von Printmedien wird Sport in den 1920er Jahren zu einem öffentlichen Großereignis, das dank seines theatralen Charakters ein Forum für verschiedenste Inszenierungen sozialen Sinns bietet. Schnell differenziert sich eine symbolische Ordnung des Sports aus, die nicht zuletzt vom literarischen Genre des Sportromans bzw. der Sporterzählung mitgestaltet wird. An der Konstitution dieses Genres, das sich wie das urbane Massenphänomen Sport mit dem Ende des Ersten Weltkriegs etabliert, hat die literarische Prominenz - Bertolt Brecht ("Das Renommee"; "Der Lebenslauf des Boxers Samson-Körner"), Marieluise Fleißer ("Eine Zierde für den Verein"), Ödön von Horváth ("Sportmärchen") – ebenso Anteil wie eine Vielzahl allzu schnell dem "Trivialen" zugeordneter AutorInnen – wie etwa Kasimir Edschmid ("Kampf um Gagaly") oder Theodor Heinrich Mayer ("Schnelligkeit").

Wie konstruieren diese Texte sportive Identitäten, Körperbilder und Mythen? Wie gehen sie mit der Sportsymbolik um, die andere Medien transportieren – reproduzierend und affirmativ oder differenzierend, destruktiv, parodistisch? Deutlich zeichnet sich ab, daß Sport in der Sportprosa Deutungen als politische Sozialisationsinstanz, aber ebenso als Ort des Kampfes um Geschlechterrollen und als Vor- und Abbild moderner Ökonomie erfährt. Vor allem aber scheint die Sportliteratur im Sport ein sublimes soziales Instrument zur Herausbildung und Verfestigung eines Menschentyps zu erkennen, der sich den Erfordernissen der Nachkriegszeit besser als der "alte" Mensch gewachsen zeigt – der im doppelten Sinn fit ist. Damit werden Sport und Literatur zu zwei konkurrierenden Kulturpraktiken, deren strukturelle und funktionale Konvergenzen in eine Frage münden, die in der Sportliteratur durchgängig im Raum steht: Muß sich der Mensch, um seine Erlösung von den Paradoxien der Moderne voranzutreiben, ins sportliche Treiben stürzen – oder kann er sein Heil nicht doch in der Literatur finden?



CV

Mag. phil., geboren 1976 in Bad Homburg, Studium der Germanistik und Politikwissenschaft in Frankfurt/M. und Wien sowie Kulturmanagement an der Fernuniversität Hagen



Publikationen

Vom Ende der Narration im Roman. Untersuchungen zu einem gattungspoetologischen Paradigma der Zwischenkriegszeit (Wien 2002), http://www.univie.ac.at/Germanistik/texte.htm, 14.8.2003