Katharina Wessely
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2004 bis 30. Juni 2005

Theatergeschichte als Gesellschaftsgeschichte. Deutschsprachiges Theater in der Ersten Tschechoslowakischen Republik 1918–1938



PROJEKTBESCHREIBUNG

Das Theater der deutschsprachigen Minderheit der Tschechoslowakei bot seinem Publikum nicht nur Kunst oder Unterhaltung, sondern stellte im städtischen Gefüge einen symbolischen und gleichzeitig realen Raum dar, der nicht zuletzt nationaler Selbstbestätigung diente. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie lebten in den meisten "Nachfolgestaaten", so auch in der CSR, Angehörige verschiedener Nationen; die Deutschen stellten dabei überall eine Minderheit dar und mußten nun versuchen, sich in dieser neuen Position zurechtzufinden. Das Theater bot dabei einen wichtigen Boden, um die eigene Position in Abgrenzung oder Anlehnung, jedenfalls fast immer in Relation zu den TschechInnen zu erproben. Nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem auch in den öffentlichen Debatten um das Theater kann bei einer kulturwissenschaftlichen Lektüre immer wieder die Diskussion um "Eigenes" und "Anderes" entdeckt werden. Denn nicht nur der tschechischen Bevölkerung gegenüber, sondern auch den Deutschen in Deutschland und Österreich gegenüber mußte erst eine eigene Rolle gefunden werden. Daß diese Diskussion sich ab Hitlers "Machtergreifung" 1933 vermehrt als Kampf zwischen "links" und "rechts" manifestierte, liegt dabei auf der Hand.

Das so definierte Feld des Theaters stellt sich als ein komplexes Gefüge mehrerer "Teilfelder" dar, wie beispielsweise der verschiedenen Gruppen der SchauspielerInnen, DirektorInnen, TheaterbetreiberInnen, aber auch der das Theater direkt umgebenden Gruppen wie JournalistInnen, Publikum, politische Gruppierungen, in der Tschechoslowakei auch VertreterInnen eines expliziten "Deutschtums" etc. In jedem dieser Teilfelder gelten dabei wiederum eigene "Spielregeln". Diesen Relationen will dieses Projekt in ausgesuchten Städten nachgehen, wobei die einzelnen Theater in ihrem jeweiligen zeitgeschichtlichen und lokalen Kontext untersucht werden; die Rolle, die "Theater" in einer Stadt und für eine Stadtbevölkerung spielt, ist hier besonders wichtig. Im Zentrum des Forschungsinteresses steht die Einbettung einiger bestimmter Theater in ihren historischen und sozialen Kontext und anhand der dadurch gewonnenen Erkenntnisse die Skizzierung des gesamten, das Theater unmittelbar wie auch mittelbar betreffenden Feldes.



CV

Mag. phil., studierte Theaterwissenschaft, Geschichte, Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Wien



Publikationen

Zur Geschichte des Brünner deutschen Stadttheaters. Forschungsergebnisse des Interreg-Projektes, in: Maske und Kothurn 47 (2002) 3–4, S. 159–180; The Theater Works of the Vienna Group, Brno 2003 (http://www.divadlo.cz/fenomenrezie/wessely.htm); Der Einsatz nationalistischer Rhetorik in den Theaterkrisen der deutschen Theater in der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in: "O Divadle na Morave a ve Slezsku" (im Erscheinen)