Lukas Mairhofer
ifk Junior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010

A-tom und In-dividuum. Bertolt Brechts Konfrontation mit der Quantenmechanik



PROJEKTBESCHREIBUNG

Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Entwicklung der Quantenmechanik das Bild des Atoms grundsätzlich infrage gestellt. Gleichzeitig lösten die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges eine veritable Krise des Konzepts des Individuums aus. Atom und Individuum, Unteilbares und Ungeteiltes - die Episteme der Einheit mussten in zentralen, aber sehr unterschiedlichen Bereichen des menschlichen Wissens neu bestimmt werden. Anhand eines konkreten Beispiels untersucht Lukas Mairhofer das Zusammenspiel der beiden Neuorientierungen: Er liest Bertolt Brechts Begriff des Individuums vor dem Hintergrund der Konfrontation Brechts mit der Quantenmechanik.
Von zentraler Bedeutung ist für Brecht die Austreibung des laplaceschen Dämons der vollständigen Determination in der neuen Physik. Durch die Anwendung des probabilistischen Kausalitätskonzepts gewinnt er ein neues Verständnis des menschlichen Verhaltens. Damit untrennbar verbunden ist der Wandel seines Verständnisses der Menschenmasse: Wie die Elementarteilchen in der Quantenmechanik nicht mehr ohne Berücksichtigung des äußeren Feldes untersucht werden können, so steht das neusachliche Individuum in einem unauflöslichen Spannungsverhältnis zur Masse.
Die sozialen Zusammenhänge des Menschen bilden bei Brecht das Feld möglicher Handlungen, innerhalb dessen das individuelle Verhalten nur noch statistisch vorhersagbar ist. Und wie das heisenbergsche Mikroskop seinen Beobachtungsgegenstand nicht unverändert lassen kann, so erlangt in Brechts "Flüchtlingsgesprächen" die Untersuchung der gesellschaftlichen Verhältnisse ihre eigene, verändernde Kraft.



CV

Lukas Mairhofer studierte Philosophie und Physik an der Universität Wien, der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi und der Helsingin Yliopisto in Helsinki.