Peter J. Bräunlein
ifk Visiting Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006

Ergreifende Bilder und gestaltende Blicke. Visualität im religionswissenschaftlichethnologischen Diskurs



PROJEKTBESCHREIBUNG

Religionen sind für sich genommen zunächst weder evident noch plausibel. Religionen sind auf Medien der Vermittlung ebenso wie auf Strategien der Überzeugung angewiesen. Jede Religion, so stellte Clifford Geertz bereits vor 40 Jahren fest, "lebt" von der Veranschaulichung nichtsichtbarer, abstrakter Wahrheiten. Religionen sind notwendigerweise höchst produktiv in der Erzeugung innerer wie äußerer Bilder. In religiösen Inszenierungen werden Blicke gelenkt, und vielfach formulieren Religionen Vorschriften zur Disziplinierung des Augensinns. Visuelle Wahrnehmung wird damit zur intentionalen, heilsfördernden oder -verhindernden Aktivität. Wahrnehmung und Gestaltung "letzter" Wirklichkeit(en) sind in eins gesetzt. Die Religionswissenschaft privilegierte lange Zeit das Studium "heiliger Texte". Die damit einhergehende philologisch-historische Ausrichtung des Faches verhinderte es, "Religion" prozesshaft-dynamisch, über die Parameter "Kultur", "Kommunikation" und "Handlung" zu erforschen. Thematisiert man Religion(en) ausgehend von Handlung und Kommunikation, wird deutlich, dass Kommunikation nicht nur als linguistische zu verstehen ist. Religion basiert in vielerlei Hinsicht auf performativ-visueller Kommunikation. Untersucht man Religionsgeschichte als Teil von Kommunikations- und Mediengeschichte, werden "blinde Flecken" und neue "Landschaften" sichtbar. Aufschlussreich wird nun die Beziehung von Text und Bild, von Betrachten und Lesen, von Blick und Emotion, von Körperlichkeit und religiöser Weltdeutung. Bei der Untersuchung visueller Übersetzungsvorgänge religiöser Botschaften (etwa in rituellen Prozessen) stößt man auf bewegte Bilder, die innere Bewegung anstoßen sollen. Emotionale Glaubwürdigkeit basiert auf visuellen Übersetzungen eines Weltbildes. Religion, Bild, Medium und Körper werden in Vorgängen des "Bildhandelns" zu entscheidenden Analysegrößen. In seinem Forschungsvorhaben möchte Peter J. Bräunlein an einer vergleichenden Religionsgeschichte des Blickes und des Blickens weiterarbeiten. Ergebnisse der visuellen Anthropologie, Erträge einer kulturvergleichenden Bildwissenschaft, ebenso wie erste Ansätze einer Ästhetik und Ikonologie des Performativen sind dabei gewinnbringend auf das Thema zu beziehen.



CV



Publikationen

U.a.: Migration, Globalisierung und das TV-Mahabharata. Anregungen der Medien-Ethnologie für Religionswissenschaft und Cultural Studies, in: Udo Göttlich (Hg.), Populäre Kultur als repräsentative Kultur, Halem Verlag, Köln 2002, S. 171–190; Shiva und der Teufel. Museale Vermittlung von Religion als religionswissenschaftliche Herausforderung, in: Peter J. Bräunlein (Hg.), Religion & Museum. Zur visuellen Repräsentation von Religion/en im öffentlichen Raum, transcript, Bielefeld 2004, S. 55–76; Religionsgeschichte als Mediengeschichte. Eine Skizze, in: Münchener Theologische Zeitschrift [Schwerpunkt: Religionsästhetik], 55, 2004, S. 325–329; Bildakte. Religionswissenschaft im Dialog mit einer neuen Bildwissenschaft, in: Brigitte Luchesi, Kocku von Stuckrad (Hg.), Religion im kulturellen Diskurs. Festschrift für Hans G. Kippenberg zu seinem 65. Geburtstag, de Gruyter, Berlin 2004, S. 195–233.