Renate Lachmann
ifk Senior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. März 2013 bis 30. Juni 2013

Fakt und Artefakt



PROJEKTBESCHREIBUNG

Das Projekt gilt der Analyse von faktografischen und fiktionalen Texten der Gulag-Literatur. Dabei wird unterschieden zwischen den unmittelbar Betroffenen, die von ihrem Erleben schriftlich Zeugnis ablegen, und Nicht-Zeugen, die ihr Faktenwissen aus dokumentarischen Berichten schöpfen und einen fiktionalen Zugang dazu wählen. Die autobiografischen Texte versuchen ebenso wie die Erzähltexte, einer Realität Gestalt zu verleihen, die außerhalb des konventionell Darstellbaren liegt. Sowohl ein dokumentarischer Bericht als auch die zugespitzte Erzählung vermag Reaktionen der Erschütterung auszulösen, wobei die „Vergegenwärtigung“ (enargeia) des Geschehens, das die Lesenden einbeziehende, Wirkung erzielende zentrale Verfahren ist. Die Bestimmung der jeweiligen stilistischen Realisierung in den unterschiedlichen Formen der Gulag-Literatur ist Ziel der Untersuchung.



CV

Renate Lachmann studierte Slavische Philologie und Osteuropa-Geschichte an der Universität Köln. 1969 wurde sie auf den Lehrstuhl für Slavische Literaturen und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Bochum berufen, 1978 auf einen entsprechenden Lehrstuhl an der Universität Konstanz, wo sie nach Ablehnung eines Rufs nach Yale bis zu ihrer Emeritierung 2001 blieb. Sie hatte zahlreiche Gastprofessuren in Irvine, Stockholm, Prag, Tel Aviv, Moskau, Chicago und Berlin inne. 1982 wurde sie in die Forschergruppe Poetik und Hermeneutik aufgenommen. Seit 1994 ist sie ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Academia Europaea.



Publikationen

(u. a.): Jurij Lotman. Die vorexplosive Phase, in: Susi Frank, Cornelia Ruhe, Alexander Schmitz (Hg.), Explosion und Peripherie, Bielefeld 2012, S. 97–118; Zwischen Fakt und Artefakt, in: Günter Butzer und Hubert Zapf (Hg.), Theorien der Literatur V, Tübingen, Basel 2011, S. 93–116; Erzählte Phantastik. Zu Geschichte und Semantik des Phantastischen in der Literatur, Frankfurt / Main 2002; Die Zerstörung der schönen Rede. Rhetorische Tradition und Konzepte des Poetischen, München 1994; Gedächtnis und Literatur. Intertextualität in der russischen Moderne, Frankfurt/M. 1990.

11 März 2013
  • Lecture
IFK
Renate Lachmann

Gulag–Erfahrung und Literarische Bewältigung

Der Gulag ist ein Synonym für das grausame und zugleich perfekte Repressionssystem der Sowjetunion unter Stalin. Renate Lachmann untersucht zwei Arten literarischer Schreibweisen, die diese traumatischen Geschehnisse in Straflagern und Verbannungsorten wiedergeben: die der persönlichen Zeugenschaft und die der nachgeborenen LiteratInnen.

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