16 April 2015
  • Lecture Series
ÖSTERREICHISCHES STAATSARCHIV, DACHFOYER, MINORITENPLATZ 1 1010 WIEN
Michael Steinberg

5. CARL E. SCHORSKE LECTURE: MICHAEL STEINBERG: MODERNISMUS UND DIE POLITIK DES SPÄTSTILS

Als Hommage an Carl Schorske zu seinem 100. Geburtstag unterzieht Michael Steinberg die Frage des Spätstils einer erneuten Lektüre. Dieser von Theodor Adorno und später von Edward Said entwickelte Begriff bezieht sich sowohl auf die Spätwerke von Künstlern und Denkern als auch auf das „Spätsein“ als kulturelles oder politisches Stadium, z.B. während des Fin de Siècle. 

 

Im persönlichen wie im kulturellen Zusammenhang verbindet Adornos sowie Saids Begriff des „Spätstils“ eine besondere Form der Melancholie mit dem Beharren auf Nicht-Versöhnung. Diese Art von Melancholie ist nicht pathologisch zu verstehen, wie in Freuds bekannter Formulierung („Trauer und Melancholie“, 1917), sondern als Reaktion auf den äußeren Zustand der Politik verbunden mit der Anerkennung von Sterblichkeit. Damit wird die Erfahrung des Exils zu einem zentralen, wenn auch nicht notwendigen Bestandteil des Spätstils. Saids Politik des Spätstils unterscheidet sich dadurch von Adornos, dass sie sich der Suche nach neuen Formen praktikabler und sogar emanzipatorischer Politik widmet. Politik geht als Überlebende aus einer Art von progressivem Modernismus hervor, als Gefährtin des Nicht-Versöhnten, als die andere Seite der Melancholie, wenn man so will. Dieser Vortrag konzentriert sich auf die Vorstellung von Nicht-Versöhnung als politisches Verfahren, wobei der Nicht-Versöhnung der europäischen Hinterlassenschaften mit der post-kolonialen und sogar post-europäischen Welt besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

 

Michael Steinberg

Ort: ÖSTERREICHISCHES STAATSARCHIV, DACHFOYER, MINORITENPLATZ 1 1010 WIEN