Japonismen der Theorie





WOLFGANG HOTTNER Im frühen und mittleren zwanzigsten Jahrhundert gibt es in Europa eine Konjunktur von Texten, die den Versuch unternehmen, »Japan« philosophisch lesbar zu machen.   


Philosophen, Schriftsteller und Theoretiker wie Günther Anders, William Empson und Roland Barthes unternehmen ausgedehnte Reisen nach Japan und setzen sich intensiv mit japanischer Sprache, Kultur und Kunst auseinander. Die dabei entstandenen Lektüren der japanischen ›Zeichen‹ bergen das Versprechen eines ›anderen‹ Denkens, ein Gegenmodell zu westlich-europäischen Sinn- und Denksystemen zu konturieren. Nicht nur das Ende der Geschichte lässt sich in Japan finden, sondern auch Epiphanisches kann ohne christlichen Anstrich und ohne die Zwänge eines europäischen Regimes der Historizität in Japan ›neu‹ gedacht werden. Der Band zeichnet die orientalistischen Projektionen und Konsequenzen nach, die sich aus der Beschäftigung mit Japan für europäisches philosophisches und ästhetisch-theoretisches Denken im 20. Jahrhundert ergeben haben. Dabei wird deutlich, wie eng diverse Spielarten der Geschichtsphilosophie, der Semiotik, der Ästhetik und der Literaturtheorie mit dem Thema des Japonismus verknüpft sind. Beiträge von Stefanie Diekmann (zu Roland Barthes in Japan), Wolfgang Hottner (zu William Empson in Japan) und Henning Trüper (zu Günther Anders in Japan). Autoren: Wolfang Hottner und Henning Trüper   BIOGRAPHISCHES: Wolfgang Hottner studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte in München, Berkeley und Yale, promovierte 2017 an der Humboldt Universität zu Berlin und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der FU Berlin. Als Gastwissenschaftler hielt er sich an der Universität Tokio und an der Södertörns Högskola in Stockholm auf, 2021 ist er Research Fellow am IFK. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Fragen der Ästhetik und der Wissensgeschichte, Übersetzungstheorie, Literaturtheorie sowie die Geschichte und Theorie des Reims in der Moderne. Zuletzt erschienen: Kristallisationen. Ästhetik und Poetik des Anorganischen im späten 18. Jahrhundert (Göttingen 2020).
Henning Trüper ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin und Privatdozent für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich. Arbeitsschwerpunkte liegen einerseits in der Geschichte und Theorie der Geisteswissenschaften, besonders Historiographie, Philologie, Orientalismus, andererseits in der Kulturgeschichte der Moral. Zurzeit leitet er das vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt Archipelagische Imperative: Lebensrettung und Schiffbruch in europäischen Gesellschaften seit 1800. Zuletzt erschienen: Seuchenjahr (Berlin 2021) und Orientalism, Philology, and the Illegibility of the Modern World (London 2020).
Verlag: Turia + Kant